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Änderung der Statuten einer Schweizer Gesellschaft durch einen Notar im Ausland versus virtuelle Versammlung

Änderung der Statuten einer Schweizer Gesellschaft durch einen Notar im Ausland versus virtuelle Versammlung

Montag, 18 September, 2023

In der Schweiz sind die Bestimmungen sowohl für Aktiengesellschaften als auch für Gesellschaften mit beschränkter Haftung größtenteils im Obligationenrecht vom 30. März 1910 (im Folgenden "CO" genannt)1 enthalten. Das CO befasst sich mit verschiedenen Arten von Vertragsverhältnissen, vom Kaufvertrag bis zum Arbeitsvertrag und der Regulierung von Unternehmen. Es gibt in der Schweiz also kein separates Gesetz, wie das polnische Gesetzbuch, das sich ausschließlich mit Handelsgesellschaften befasst.

Im Gegensatz zum polnischen Recht regelt das Obligationenrecht in den Artikeln 620-763 des Obligationenrechts zunächst die Aktiengesellschaft (nachfolgend "AG" genannt) und erst ab Artikel 772 die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (nachfolgend "GmbH" genannt). Diese Neuregelung macht es notwendig, die AG-Bestimmungen auch als Modell für die GmbH zu betrachten. Viele der AG-Bestimmungen sind für die GmbH subsidiär, insbesondere dann, wenn die GmbH-Bestimmungen keine diesbezügliche Regelung enthalten.

 

Die im folgenden Artikel vorgestellten Regeln für die Abhaltung von Aktionärsversammlungen oder Hauptversammlungen einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz im Ausland gelten sowohl für GmbHs als auch für AGs. Der Einfachheit halber verwenden wir den Begriff Versammlung sowohl im Zusammenhang mit einer Aktionärsversammlung einer GmbH als auch mit einer Hauptversammlung einer AG.

 

Der folgende Artikel befasst sich nur mit einer Versammlung zur Änderung des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung einer Gesellschaft, für die die Anwesenheit eines Notars erforderlich ist. Der folgende Artikel befasst sich nicht mit dem Zeitpunkt oder dem Inhalt der Einberufung oder der Tagesordnung2.

In der Regel sollte die Versammlung am eingetragenen Sitz des Unternehmens abgehalten werden. Es kann Ausnahmen von dieser Regel geben, was heutzutage besonders wichtig ist, da die Aktionäre nach Möglichkeiten suchen, die Eigentumsverhältnisse des Unternehmens zu optimieren und oft beschließen, die Versammlung nicht nur außerhalb des eingetragenen Sitzes einzuberufen, z.B. in einem anderen Kanton, sondern auch außerhalb der Schweiz, z.B. in Polen.

Nach Schweizer Recht kann die Generalversammlung im Ausland abgehalten werden, sofern die Statuten diese Möglichkeit ausdrücklich vorsehen.

Die Entscheidungsbefugnis, ob die Versammlung im Ausland abgehalten wird, liegt beim Verwaltungsrat (Vorstand), der dann einen unabhängigen Bevollmächtigten ernennt, der für die Durchführung der Versammlung verantwortlich ist3. Der Bevollmächtigte hat die Aufgabe, die vollständige Vertretung der Aktionäre oder Gesellschafter bei der Versammlung im Ausland zu gewährleisten. Darüber hinaus ist es seine Aufgabe, die Ausübung der mit den Aktien oder Anteilen verbundenen Rechte, insbesondere der Stimmrechte, durch diejenigen sicherzustellen, die nicht persönlich an der Versammlung teilnehmen. Bei nicht börsennotierten Gesellschaften kann der Verwaltungsrat (mit Zustimmung aller Aktionäre oder Gesellschafter) von der Ernennung eines Bevollmächtigten absehen.

 

Gemäß Artikel 647 des CO kann eine Änderung der Satzung oder des Vertrages von der Versammlung nur in Form einer notariellen Urkunde beschlossen werden. Wenn die satzungs- oder vertragsändernde Versammlung stattfindet, ist der Notar des Staates, in dem die Versammlung stattfindet, zur Vornahme der notariellen Urkunde befugt.

Falls das Gesetz vorsieht, dass eine ausländische notarielle Urkunde beim Handelsregisteramt hinterlegt werden muss, kann von diesem verlangt werden, dass es nachweist, dass das ausländische Notariatsverfahren dem schweizerischen gleichwertig ist. Zu diesem Zweck kann das Handelsregisteramt die Vorlage eines Gutachtens verlangen und auch einen Sachverständigen bestellen4.

Im Falle einer polnischen notariellen Urkunde wäre zum Beispiel ein Gutachten erforderlich, aus dem hervorgeht, dass die polnische notarielle Urkunde der schweizerischen gleichwertig ist. Beispiele für Institutionen, die ein solches Gutachten erstellen könnten, sind:

 

•  Das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung,

•  ein anderes gleichwertiges unabhängiges Institut,

•  ein Universitätsprofessor, der auf dem Gebiet der Rechtsvergleichung arbeitet5.

 

Darüber hinaus müssen sie in jedem Fall mit einer Apostille versehen werden6, was auch für beglaubigte Übersetzungen gilt.

 

Eine Änderung des Schweizer Gesetzes, die am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, ermöglicht die Abhaltung einer sogenannten virtuellen Versammlung ("VV") und vereinfacht damit die Möglichkeit, eine Versammlung außerhalb der Schweiz abzuhalten. VVen stellen einen innovativen Schritt nach vorn dar, denn sie ermöglichen es Unternehmen, Versammlungen online abzuhalten, ohne einen Ort festzulegen, so dass die Aktionäre ohne ihre physische Anwesenheit teilnehmen können7. Die VV findet auf elektronischem Wege statt und nutzt eine Kommunikationsplattform, die reibungslose Video- und Audioübertragungen in Echtzeit, die Möglichkeit der Interaktion und die Sicherheit der Teilnehmer gewährleistet. Die VV vermeidet die oben beschriebenen Schwierigkeiten, da sie es ermöglicht, die Versammlung ohne einen ausländischen Notar abzuhalten, sondern mit einem Schweizer Notar, der der Versammlung von der Schweiz aus beiwohnt.

Die rechtliche Grundlage für die Abhaltung der Versammlung in virtueller Form sowie die Möglichkeit, die Versammlung im Ausland abzuhalten, muss in der Satzung oder im Vertrag enthalten sein.

 

Der Vorstand des Unternehmens ist verpflichtet, den Zugang zu der Plattform zu ermöglichen, auf der die Versammlung abgehalten wird. Um die Sicherheit und Korrektheit der Feststellung der Identität der Teilnehmer zu gewährleisten, sind Identifizierungsmethoden wie qualifizierte elektronische Signaturen oder TAN-Verfahren anwendbar. Die Plattform sollte mit Chat-Funktionen ausgestattet sein, die eine aktive Interaktion zwischen den Teilnehmern ermöglichen, einschließlich der Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich an Diskussionen zu beteiligen.

 

Wenn der Verwaltungsrat eine VV einberuft, wie im Falle von Versammlungen, die im Ausland abgehalten werden können, ernennt er einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter. Bei nicht börsennotierten Unternehmen kann die Satzung des Unternehmens vorsehen, dass auf die Ernennung eines Stimmrechtsvertreters verzichtet werden kann8.

 

Zusammenfassung

Die Durchführung einer Versammlung eines Unternehmens mit Hauptsitz in der Schweiz im Ausland ist eine recht komplexe Aufgabe, bei der das Handelsregisteramt das oben beschriebene Rechtsgutachten verlangen kann.  

Die Einführung der Möglichkeit eines VV (virtuelle Versammlung) ist eine interessante Lösung, die es den Aktionären oder Gesellschaftern ermöglicht, an der Versammlung teilzunehmen, unabhängig davon, wo sie sich befinden, und die die Teilnahme eines schweizerischen Notars unter Wahrung der Rechtssicherheit ermöglicht.

 

Wenn Sie Fragen haben, können Sie uns gerne kontaktieren.

 

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1 Bundesgesetz vom 30. marca 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht), https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/27/317_321_377/de

2 Die Regeln für die Einberufung der Versammlung sind im Gesetz detailliert festgelegt (Artikel 706 ff. CO).

3 Art. 701(b) of the March 30, 1911 Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (fünfter Teil: Obligationenrecht).

4 Art. 25 der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007.

5 Art. 184 zd. 2 der Zivilprozessordnung vom 30. März 1911.

6 Artikel 3 des Haager Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 zur Abschaffung des Legalisationserfordernisses für ausländische öffentliche Urkunden.

7 Art. 701 lit. d ff. vom 30. März 1911 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (fünfter Teil: Obligationenrecht).

8 Art. 701(d)(2) vom 30. März 1911 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (fünfter Teil: Obligationenrecht).

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